Auftakt zur grossen Europa-Debatte: «Es muss einen Weg geben»
Die Blockade in der Europapolitik bewegt die Zürcherinnen und Zürcher, wie der volle Saal mit rund 140 Gästen zum Auftakt der stark+vernetzt-Tour durch vier Schweizer Städte gestern Abend zeigte. Begrüsst wurden die Anwesenden durch Regine Sauter, Direktorin der Zürcher Handelskammer. «Wir müssen den Stillstand überwinden und die europäischen Beziehungen endlich wieder einen Schritt weiterbringen», konstatierte die Zürcher Nationalrätin treffend. Sowohl das breitgefächerte Organisationskommitee des Anlasses als auch die grosse Anzahl an Besuchern sehe sie als Bestätigung für die Bedeutung, welcher der Europapolitik für die Zukunft der Schweiz zukommt. Momentan nehmen die Sorgen zu, nicht nur bei der Wirtschaft, sondern auch bei der Wissenschaft und in der Politik.
Lohnschutzniveau muss gehalten werden
Moderator Michael Rauchenstein bat im Rahmen der ersten spannenden Diskussion Daniel Lampart, Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes und Roland A. Müller, Direktor des Schweizerischen Arbeitgeberverbands zu sich auf die Bühne. Thema war vor allem der Lohnschutz. Lampart argumentierte, dass das Thema Europapolitik in der Bundespolitik und von den Medien grösser gemacht wird, als es auf dem Arbeitsmarkt ist. «Der Abbruch [des institutionellen Rahmenabkommens] war ein Glücksfall», denn der Lohnschutz sei nicht verhandelbar. Müller hingegen bedauert den Abbruch. Er ist überzeugt, dass es einen anderen Weg gegeben hätte. «Was wir aber begrüssen, sind die Sondierungen, sodass man weiss, mit welchen Leitplanken man an den Verhandlungstisch sitzen muss.» Er stellte auch eine eindeutige Anforderung: «Wir brauchen vom Bundesrat einen klaren Auftrag und Rahmen für die Lösungssuche unter den Sozialpartnern». Auch Lampart ist überzeugt, dass man sich letztlich einigen wird: «Bei materiellen Anliegen finden wir Lösungen.» Die beiden Vertreter der Sozialpartner bekräftigten aber, dass das Lohnschutzniveau zu halten sei.
Rechtssicherheit ist essenziell
Die zweite Diskussionsrunde des Abends nahm sich den Knoten Rechtsübernahme und Streitbeilegung an. Annette Luther betonte, wie wichtig Rechtssicherheit für Unternehmen und Gewerbe sind. Für die Sekretärin des Verwaltungsrates von Roche ist es selbstverständlich, dass man bei einer Teilnahme am europäischen Binnenmarkt sich auch an dessen Spielregeln hält. Prof. Dr. Astrid Epiney stimmte zu: «Die Schweiz will am EU-Binnenmarkt teilnehmen und nicht umgekehrt». Es gehe um eine Risikoabwägung: Will man Rechtssicherheit, mit der Möglichkeit, dass einmal ein Urteil zu Ungunsten der Schweiz gesprochen wird, oder will man Abseits stehen. Den mitunter geäusserten Vorwurf, der EuGH arbeite nicht nur juristisch, sondern verfolge auch politische Ziele, wies die Völkerrechtlerin dezidiert zurück: «Es entbehrt jeder Grundlage, dass der EuGH grundsätzlich parteiisch entscheiden würde.» Heinrich Fischer, Verwaltungsratspräsident der Liechtensteiner Hilti AG, hält die Schweiz für gut beraten, die Zertifizierungen der grössten Märkte zu übernehmen. Er warnte jedoch davor, dies auch bei übrigem Recht zu tun. «Was in Zukunft von der EU noch alles kommt, können wir noch gar nicht wissen.»
«Dialog kann uns vorwärtsbringen»
Wie mit dieser Ungewissheit umgegangen werden soll, und ob eine vertragliche Lösung überhaupt mehrheitsfähig wäre, konnte der Abend im Kraftwerk nicht abschliessend klären. Regine Sauter zeigte sich in ihrem Schlusswort trotzdem optimistisch: «Es muss einen Weg geben.»
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31. Oktober (ab 18 Uhr) in Luzern: «Vernetzt und souverän: Wie viel Europa wollen wir?»
17. November (ab 18 Uhr) in Basel: «Mehr oder weniger Europa? Die Schweiz muss sich entscheiden.»
1. Dezember (ab 18 Uhr) in Lausanne: « Suisse-UE: comment sortir de l’impasse ? »