Zucker: Süsse Verwirrung bei den Bilateralen III

Roberto - Team s+v
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29 January 2024 Tempo: 3 minuti
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Zuckerwürfel
In einem Interview mit der NZZ zu den Bilateralen III äussert sich Staatsrechtsprofessor Andreas Glaser kritisch zur dynamischen Rechtsübernahme und den im Common Understanding angedachten Ausgleichsmassnahmen. Er behauptet, dass das Bundesgericht, das Parlament sowie das Volk durch die Bilateralen III an Bedeutung verlieren werden. Doch da liegt er falsch.

Gleiche Regeln für alle

Im EU-Binnenmarkt müssen für alle teilnehmenden Staaten die gleichen Regeln gelten. Die dynamische Rechtsübernahme ist deshalb die Voraussetzung für eine Teilnahme der Schweiz. Sie gilt aber nicht für alle bilateralen Abkommen mit der EU, insbesondere nicht für das Freihandelsabkommen Schweiz-EU von 1972 (FHA 72). Von den über 140 bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU gilt die dynamische Rechtsübernahme in Zukunft lediglich für die fünf bestehenden Binnenmarktabkommen, die beiden neuen Abkommen zu Strom und Lebensmittelsicherheit und das Kooperationsabkommen Gesundheit. Schon heute hat die Schweiz mit den beiden Assoziierungsabkommen zu Schengen/Dublin gute Erfahrungen mit der dynamischen Rechtsübernahme gemacht. Auch beim Luftverkehrsabkommen übernimmt die Schweiz bereits heute dynamisch EU-Recht, was demokratiepolitisch bisher zu keinerlei Problemen geführt hat. Glaser unterläuft ausserdem ein grober Schnitzer in seinem Zucker-Beispiel. Zucker unterliegt dem FHA 72 und somit nicht der dynamischen Rechtsübernahme. Das wird sich mit den Bilateralen III nicht ändern. Auch die Frage der Freigabe von Munitionslieferungen an die Ukraine kann, darf und wird – entgegen den Behauptungen vom Staatsrechtsprofessor – weder der dynamischen Rechtsübernahme noch der Beurteilung durch das Schiedsgericht unterstellt sein.

Mehr Mitsprache für die Schweiz

Die Schweiz wendet heute oft freiwillig den sogenannten autonomen Nachvollzug von EU-Recht an. In Bereichen, in welchen die Schweiz am europäischen Binnenmarkt teilnimmt, soll der autonome Nachvollzug dank den Bilateralen III in Zukunft durch die dynamische Rechtsübernahme ersetzt werden. Dadurch wird die Schweiz nicht mehr ohne Gegenleistung EU-Binnenmarktrecht übernehmen müssen. Mit der dynamischen Rechtsübernahme würden nämlich verlässliche Rahmenbedingungen und Rechtssicherheit für die Schweiz geschaffen. So hätte die Schweiz jeweils zwei Jahre Zeit, Änderungen im EU-Binnenmarktrecht zu übernehmen. Zudem ist vorgesehen, dass die Schweiz bei der Entwicklung von EU-Binnenmarktrecht, welches übernommen werden müsste, künftig mitsprechen kann. Die Schweiz würde wie die EU-Mitgliedstaaten systematisch konsultiert und könnte ihre Anliegen aktiv einbringen. Nur an der Schlussabstimmung eines EU-Gesetzes könnte die Schweiz als Nichtmitglied der EU nicht teilnehmen.

Ein gutes Beispiel für eine aktive Mitgestaltung von EU-Gesetzen durch die Schweiz ist die Revision der Waffenrichtlinie, die Teil des Schengen-Acquis ist. Als Schengen-Mitglied konnte die Schweiz eine ganze Reihe von Ausnahmen für sich aushandeln, welche auf die «Schweizer Tradition» des Schiessens Rücksicht nehmen. Entgegen den Behauptungen von Andreas Glaser wird die Bevölkerung auch weiterhin über jede einzelne Übernahme von EU-Recht innerhalb der betreffenden Abkommen autonom entscheiden können. Das war auch bei der Revision des Waffenrechts der Fall, über das die Schweizer Bevölkerung am 19. Mai 2019 im Rahmen eines Referendums abstimmen konnte. Bei einem Referendum wird der Schweiz ausserdem ein zusätzliches Jahr zur Umsetzung zugesichert. Das alles sind starke Verbesserungen gegenüber dem Status quo. Statt weniger erhalten wir künftig mehr Mitspracherecht auf allen Ebenen.

Einen Punkt muss man Glaser aber lassen: Die Bilateralen III würden das Verhältnis der Schweiz zur EU tatsächlich auf eine ganz andere Stufe heben, nämlich eine viel bessere. Endlich könnte das zurzeit erodierende Verhältnis mit Europa gesichert und weiterentwickelt werden. Zudem würde die Schweiz in vielen Bereichen einen geordneten Rechtsrahmen erhalten. Klar ist: Die Schweiz steht mit den Bilateralen III wesentlich besser da als ohne.

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